Samstag, 2. April 2011

The Road to Aleppo

Update kurz vor Fertigstellung des Blogs: Jetzt sind wir doch saufroh, das richtige Timing mit unserem Arabien-Trip gehabt zu haben. Auf menschenleere Strassen und Militärposten in Damaskus und Latakia hätten wir gar keine Lust gehabt. Und, auch nach sieben Wochen "Innenansicht" dieser Welt, fehlt uns ein wirkliches Verständinis für das was funktioniert oder nicht. Gesunde Anlagen für Demokratie gibt es offensichtlich nicht, aber von aussen wird das auch nicht kommen können. Und trotzdem, gerade auch unter jüngster Nachrichtenlage, wollen wir auch noch einen Einblick in das andere, schöne Gesicht Syriens geben... 

Wir sind ein bisschen hintendran mit dem Bloggen. Für diejenigen, die sich Sorgen machen sollten, wir haben es geschafft auf unserem Trip durch den vorderen Orient allen politischen Stress zu umfahren, entweder sind wir erst garnicht rein (Ägypten) oder rechtzeitig wieder raus (Jordanien und Syrien). Das merkwürdigste, das wir diesbezüglich gesehen haben, war eine Militärsperre am Flughafen in Amman. Nachts wurden wir vor einem Konvoy aus Jeeps mit schweren Maschinengewehren, die mit lauter Typen besetzt waren, die Palästinensertücher um die Köpfe gewickelt hatten, auf Feldwege umgeleitet. Schon strange, aber das war wie gesagt alles.

Jetzt sind wir schon längst wieder auf sicherem NATO-Boden, in unserem Reiselieblingsland Türkei. Aber diese Geschichte erzählt noch von unserer Rückfahrt aus Syrien. In Damaskus hatten wir diesmal nur für die Übernachtung Halt gemacht, und sind am nächsten Tag ausgeruht nach Norden weitergefahren, Zielrichtung Aleppo.

50 Kilometer nördlich von Damaskus liegt das kleine Örtchen Ma'aloula in den Bergen, und hat neben spektakulärer Lage unterhalb eines schönen Canyons noch einige Besonderheiten zu bieten. Dreiviertel der Bevölkerung sind Christen (je zur Hälfte syrisch-katholisch und orthodox), es wird noch aramäisch gesprochen, die Jesus- und Jünger-Sprache, und es wird Wein angebaut, von dessen guter Qualität wir uns in Adnans Family Restaurant später selbst überzeugen und auch mit der Familie einen interessanten, gesprächigen Abend verbringen werden.
Ma'aloula
Überhaupt ist in Ma'aloula alles sehr entspannt, kopftucharm und freundlich. Wir parken den Eumel direkt am Thekla-Kloster, das am Eingang der Thekla-Schlucht am Felsen klebt.

Thekla und Eumel
Die Schlucht selbst ist eine Art Micro-Petra, aber ohne jeden Tourinepp, sehr erholsam und wir starten mit einer ausgiebigen Wanderung durch die Schlucht über den Berg und durch die sehr authentische Altstadt wieder zurück.

...we like it
Wir werden als Traveller hier extrem freundlich aufgenommen, der Besitzer des kleines Souvenir-, Devotionalien-, und-alles-andere-Lädchens wird unsere gute Seele, braut uns Tee und Nescafes für kleinstes Geld und integriert uns in die Nachbarschaft.

Alles auf 5qm
Ich spiele Schach gegen den örtlichen Apotheker - und verliere. Wir sitzen in der Sonne am kleinen Platz vor dem Kloster und beobachten wie syrische Schulklassen das Kloster geordnet betreten und ungeordnet wieder rausstürmen.

Schwer zu beschreiben, wie sehr uns Ma'aloula gefällt, obwohl es nicht so aussergewöhnliches ist. Wir beschliessen die Nacht am Kloster zu verbringen, und wie gesagt endet der Tag mit einer sehr kommunikativen Weinverkostung in der lokalen Taverne. Wir unterhalten uns über alles Mögliche, einer der Adnan-Brüder spricht sehr gut Englisch, dann steht noch ein älterer Herr, George genannt, am Tresen, der zwar wenig sagt, aber offensichtlich viel versteht und auch historisch sehr bewandert ist, es wird hin und her übersetzt, und wir geniessen den Abend sehr. Wieder mal ein spezielles, aber ganz normales Syrien.

Am nächsten Morgen nehmen wir Abschied, der Plan ist über Hama nach Aleppo zu fahren, dort nochmal ein paar Tage zu verbringen, und dann mit dem Ablauf unseres diesmal einwöchigen Syrienvisums rechts rüber nach Südostanatolien zu fahren, in der Türkei ist die mystische Bergregion des Nemrut Dagi unser erstes Ziel. In Hama gibt es noch ein paar Sehenswürdigkeiten, also Gelegenheit für einen kurzen Nachmittags-Stopover.

Wasserraeder
Die Berühmtheit der Stadt sind die vielen, grossen Wasserräder am Orontes. Dazu kommt eine kleine, teilrestaurierte Altstadt, die natürlich an Damaskus erinnert.

Orontes-Bruecke
Wir besichtigen den schönen Azm-Palast und die stille Schönheit des Kleinods wird nur durch den Museumswärter getrübt, der unsere Erkundung allzu dienstbeflissen überwacht.

Im Azm Palast in Hama
Na gut, keine Fotos in den Räumen, ok, da nicht rein, wegen laufender Restaurierung, ja, latsch immer mit uns mit...wir schaffen es trotzdem den Guten ein paar Mal abzuschütteln und haben die Atmosphäre des Palasts dann für uns.

Ein hübsches Atelierschild an einem der alten Häuser gefällt uns, und schwupps stehen wir drin beim Künstler und seinem Kumpel, bekommen arabischen Kaffee gebraut, und eine private Atelierführung. Und weil das alles so nett war, erstehen wir ein kleines Kaffee-Bild. Hoffen wir mal, dass die Haarsprayfixierung des Pulvers die nächsten Reisemonate übersteht.

Kaffee und Kunst
Auf der weiteren Strecke nach Aleppo machen wir noch eine Rundtour durch ein Gebiet verlassener Städte, und bereuen es später, in der wunderschönen Gegend mit interessanten Dörfern und Ruinen nicht geblieben zu sein. Aber es dunkelt, und wir wollten noch den "Campingplatz" vor Aleppo erreichen. Der ist eine Katastrohe. Ein Hotelbesitzer aus Aleppo hat ihn in seinem Garten in absolut nichtssagender Umgebung eingerichtet. Die Familie (Frau und eine Horde Kinder) verhalten sich merkwürdig bis lästig, und nach einer Nacht packen wir zusammen und fahren direkt nach Aleppo rein. Eine einzigartige Stadt. Mittendrin steht ein grosser, ovaler Hügel, auf dem die alte Zitadelle thront. Die Strassen drumrum sind wie ausgestorben, es ist Mittag und Wochenende.

Eumelview
Wir sehen ein kleines bewachtes Grundstück direkt am Fuss der Zitadelle und fahren drauf. Perfekt, besser kann man nicht stehen. Zwar wird der Tagespreis im Laufe unseres Aufenthalts von zwei Dollar auf fünf erhöht, aber das ist immer noch geschenkt für einen bewachten Innenstadtstandplatz.

Aleppo ist trotz der Lage nahe der Türkei um einiges konservativer als Damaskus. Komplettverhüllung ganz in Schwarz kommt hier wieder häufig vor, und als wir abends zu Fuss Richtung Christenviertel gehen, bekommt Gudrun von einer Alten ein paar unfreundliche Zischlaute zu hören, zuviel blond für die altaleppische Seele. Doch die meisten Leute sind freundlich zu uns, und das Christenviertel dann eben auch wieder viel entspannter.

Wir machen einen ausgiebigen Zitadellenbesuch, und teilen uns den schönen und beeindruckenden Ruinenhügel mit vielen picknickenden syrischen Familien, Horden von Kids, die alle ihre drei Worte Englisch an uns ausprobieren, und freuen uns über den schönen, sonnigen Tag mit tollen Aussichten auf die Stadt und den vielen Besonderheiten der Zitadelle.

Citadel Hill
Wir besuchen den Hamam, mit liebevoll drapierter Plastikkundschaft.

These guys don't sweat
Tolle architektonische Details...

Wow!
...die Ruhe der Zitadellenmoschee...

Ein stiller, schoener Platz
Als wir schliesslich über die grosse Treppe rausschlendern werden wir als Ausländer zielgerichtet vom Zitadellendiektor abgefangen und in sein Büro eingeladen.

Chefbesuch
Er erzählt uns, dass er schon sechzig Mal in Deutschland war, Heidelberg liebt und so weiter. Wir bekommen die Fotos vom Präsidentenbesuch letzte Woche gezeigt. Wir wollen uns schon über so viel Ehre wundern, dann erzählt uns der Herr, dass er neben seinem Zitadellenmandat noch mit syrischen Teppichen handelt, und insbesondere in Deutschland viel verehrte Kundschaft hat, denn was man so auf dem Suq bekommt ist sowieso alles nicht echt...aha, alles klar, von wegen Ehre, wir bedanken uns freundlich, und verlassen das getarnte Verkaufsbüro. 

Am dritten Morgen ist es soweit. Sieben Wochen Orient und ultramuslime Lebensart sind vorerst genug. Aufbruch. Wir schlagen die Ostroute ein, die in der Realität nicht mit den Lobpreisungen des Reiseführers mithalten kann, es geht vorbei an ein paar alten Lehmhüttendörfern und recht eintönige Landschaft, bis nach knapp 200 Kilometern links ein Schild zum Turkey Border Center weist. Letzte Blicke auf Syrien, Staub, LKW-Kolonnen, es kostet uns nochmal ein paar Stunden bis wir uns aus Syrien raus- und in die Türkei reingeschoben haben. Die letzte Volltankung mit Billigdiesel macht noch mal richtig Spass.

Das ist kein Fest, sondern eine Tankstelle
Dort dann wohltuende Grenzformalitäten, kein Geld, Computererfassung von Haupt- und Nebeneumel (der eine darf bis Juli, der andere bis September), pro-forma Durchsuchung und wie immer Amüsiertheit über unseren selbstgemachten Innenausbau, und schliesslich "Welcome to Turkey". Wir freuen uns auf Obst und Gemüse, frische Milch, und auf moderne, junge Menschen, die sich hier genauso geben wie du und ich, und Leute, die vom Tourismus leben, aber gelernt haben, das man mit Charme, Freundlichkeit und Humor mehr erreicht als mit Aufdringlichkeit und Beutelschneiderei. Turkey, douze points.

Und nun zum Schluss, und ohne viel Worte noch eine kleine Fotoserie mit syrischen Impressionen, zusammen mit unserer Hoffnung dass es für dieses Land irgendwie besser ausgeht als man so befürchten könnte... 

Abends im Christenviertel von Aleppo...
Ladenfront
Big Fish
Gegensaetze
Sweet
Klosterbesichtigung
Einfaches Leben
Einfacher Transport
Teeverkauf
Im Schokoladen
Aleppo Girls
...und nie vergessen...

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