Dienstag, 8. Februar 2011

The Oriental Touch

Die Einreise nach Syrien, ein...
...knochentrockenes Geschäft!
Natürlich haben wir es dann doch geschafft, naja, so natürlich dann auch wieder nicht. Die Ausreise aus der Türkei gestaltete sich erwartungsgemäss simpel, und nach knapp fünfzehn Minuten standen wir vor der ersten von drei syrischen Schranken.

Linkerhand das Immigration Center, ein grosser kühler Raum mit zwei langen marmornen Tresen, einer für die Ein- und einer für die Ausreise. Überall grosse Porträts des Herrn Präsidenten, manchmal auch im Doppelpack mit dem verstorbenen Vater. Wir schreiten lächelnd und mit einem Salem Aleikum auf den Lippen auf den Einreiseschalter zu, wo ein eigentlich ganz nett aussehender Herr mittleren Alters mit breiten hellblauen Schulterklappen und drei Sternen auf dem Ärmel uns mit einem süsssauren, gelangweilten Blick grusslos empfängt.

Seine erste Frage gilt erwartungsgemäss unserem Visum und als wir verneinen, wird uns bedeutet, dass wir uns zwingend in einer der syrischen Vertretungen in der Türkei um ein Visum hätten bemühen müssen, also in Istanbul, Ankara oder Gaziantep. Keiner dieser Orte ist näher als eine Tagesreise und zwei Tankfüllungen von unserer derzeitigen Position entfernt.

Wir schlagen unabgesprochen eine Doppelstrategie ein, während Gudrun dem Zöllner, der eigentlich wirklich wie ein netter Onkel aussieht (mich erinnert er auch an einen amerikanischen Komiker, aber ich weiss nicht an wen genau), versucht zu erklären, dass wir durchaus das syrische Konsulat in Istanbul um ein Visum ersucht haben, man uns dort aber bedeutet hat, dass wir dieses an der Grenze erhielten (eine sehr optimistische Auslegung des Wortes "maybe", das uns dort entgegengelächelt wurde), versuche ich beharrlich zu bleiben, und monologisiere die Tatsache, dass Freunde von uns letzte Woche ebenfalls visumslos den Grenzübertritt bewältigt haben.

Obwohl meine Argumentation der Wahrheit entspricht, scheint es mir, dass Gudruns Worte "Istanbul embassy said we get visum at the border" mehr Durchschlagskraft besitzen. Der nette Onkel, immer noch bemüht offiziell, murmelt etwas von strikten Regeln aus Damaskus und lenkt unseren Blick auf die grosse Tafel an der Wand hinter uns, die die syrischen Einreiseregeln in arabisch und englisch auflistet. Neben der grundsätzlichen vorab-Visumsanforderung für alle Staatsbürger, die über eine syrische Vertretung in ihrem Heimatland verfügen, wird dort erklärt, dass man das Fahrzeug mit dem man einreist auch wieder zur Ausreise zu benutzen hat, dass Grenzvisa maximal 15 Tage gelten, und neben einer Ausreisegebühr von 550 syrischen Pfund - 12 Dollar - wird Mann auch auf die Tatsache hingewiesen, dass die Ehefrau die nach Syrien eingeführt wird, ebenfalls wieder ausgeführt werden muss. Da bin ich aber froh, in den nächsten zwei Wochen kann mir mein Frauchen also nicht abhanden kommen - insofern wir reingelassen werden.

Der nette Onkel zeigt immernoch sein Zahnschmerzgesicht, aber dann zückt er sein Mobiltelefon und beginnt ein arabisches Gespräch mit einem uns unbekannten, vielleicht auch nicht vorhandenen Gesprächspartner. Kurz darauf bedeutet er uns auf einem der Sessel an der Längswand, die teilweise noch in ihre Schutzfolie eingeschlagen sind, Platz zu nehmen. Wir bekommen ein besseres Gefühl. Kurz darauf sind wir erleichtert, denn Onkelchen zeigt auf die dritte Zeile einer arabischen Preisliste, und wir verstehen, dass ein 15-Tage-Visum für uns heute für 32 US-Dollar pro Nase angeboten wird. Super, billiger hätten wir es in Deutschland wahrscheinlich auch nicht bekommen.

Daraufhin müssen wir 64 Dollar in der Bankfilialie gegenüber einzahlen, und mit den Belegen zurückkommen. Leider haben wir uns nicht getraut, bzw. nicht dran gedacht, in der "Bank" ein Foto zu machen, es war eine kleine Zelle mit einem offenen Safe aus dem 19. Jahrhundert, in dem einige Dollar- und Pfundnoten lagerten, ein weiterer netter Onkel, der offensichtlich auch mal ein Nickerchen in der Zelle macht, denn es stand auch ein Bett darin.

Immerhin verfügt der Onkel über einen Computer inklusive Nadeldrucker und so ist der Einzahlvorgang nach 10 Minuten erfolgreich abgeschlossen. Wir tapern zurück ins Immigration Center und erhalten die ersten Stempel in unsere Pässe. Nun dürfen wir die blauen Einreisekarten ausfüllen. Wir sind zu- aber noch nicht eingelassen, dürfen aber die beiden Eumels bis zur nächsten Schranke vorfahren.

Dort wartet ein gutgelaunter junger Mann auf uns, der zwar keinerlei Uniform trägt, aber anscheinend für alle weiteren Zollformalitäten zuständig ist. Er wird für die nächsten eineinhalb Stunden unser exclusiver Übertrittsmanager.

Zunächst erfolgen Aufklärungsgespräche bezüglich der zu erwartenden Kosten, und die Empfehlung vom 15-Tage-Visum höchstens 14 im Land zu bleiben, da die horrende Dieselsteuer pro Woche veranschlagt wird. Nach dem netten Beisammensein mit dem jungen Mann wissen wir, dass wir nun ein paar hundert Dollar loswerden. Es geht zur Bank, wobei wir auf dem Weg nochmals vom Gehilfen des ersten Onkels abgefangen werden, da vergessen wurde den Nebeneumel ebenfalls in den Pass einzutragen. Das wird im Stehen nachgeholt.

Beim Bankonkel werden nun vier Zahlungsvorgänge abgewickelt, zuerst wird ein Gesamtpreis (Steuen und Versicherungen für beide Fahrzeuge) von 375 Dollar angeboten, worauf der junge Mann den Bankonkel mit Schrecken auf einen Fehler? hinweist, und der Betrag lächelnd auf 575 Dollar erhöht wird. Grinsend erklärt er uns, die 375 Dollar wären "good for you, but bad for me". Was immer das heißen mag. Die vier Einzahlbelege werden wir nie zu Gesicht bekommen, da ist der junge Mann geübt drin.

Damit aber nicht genug, nun geht es in einen anderen Verschlag und ein dritter Onkel wird aus seinem Fernsehzimmer geholt. Es heisst die Versicherungsbelege zu erstellen und auszudrucken. Ein Vorgang der durchaus wieder eine halbe Stunde vernichtet. Der junge, freundliche Zollmanager erklärt uns das dieser Onkel neu in seinem Job ist, und geht ihm auch bei der Computerarbeit gerne zur Hand.

Schöne arabische Formulare werden gegen amerikanische Dollars auf brandneuer HP-Hardware ausgedruckt und wir denken ein wenig an die syrische Aversion gegenüber amerikanischen Staatsbürgern. Wir sind nun hoffnungsvoll, das Prozedere überstanden zu haben. Nicht ganz. Es ist nun die Aufgabe des jungen Mannes die Inhalte aller acht Zettel, die sich in seinen Händen angesammelt haben, handschriftlich in grosse Kladden zu übertragen, wobei wir auch noch mehrfach unsere Namen und Adresse nennen müssen, ins Arabische übertragen sieht das ganz lustig aus. Der manuelle Prozess findet selbstverständlich im eigentlichen Zollhäuschen statt, in einem noch kargeren Verschlag mit einem Tisch, einem Stuhl und einem Stahlrohrbett. Wir dürfen auf dem Bett sitzen, das bedenklich ächzt.
Während so die Zeit vergeht, erscheinen diverse andere Grenzüberschreiter aus allen möglichen arabischen Ländern, die ebenfalls dicke Kladden mit sich führen, Carnets de Passages für die Fahrzeuge und so, diese Leute zahlen kleine Beträge, die ein zweiter Zöllner jeweils zwischen zwei Migräneanfällen in eine Schublade fallen lässt.

Den kleinen Betrag müssen wir dann endlich auch noch zahlen, circa 10 Dollar für die Stempelarbeit in den Kladden. Mit einem Lächeln heftet unser Exclusivbeamter unseren Packen zusammen und wir sind nun wirklich abgewickelt. Wir dürfen zur dritten Schranke fahren, wo der Haupteumel noch einer sporadischen Innenbesichtigung unterzogen wird, drei Schubladen werden geöffnet, ein kurzer Blick unter die nassen Feudel im Spülbecken, keine weiteren Fragen, welcome to Syria. Die letzte Schranke öffnet sich. Es wird dunkel.

Als erstes füllen wir unseren leeren Tank auf, und holen uns den ersten Teilbetrag der Dieselsteuer wieder zurück, rund 20 Euro für 65 Liter Diesel, das ist ja mal was. Wir können also fahren, fahren, fahren, schade das Syrien garnicht so gross ist. An der Tankstelle werden wir dann nochmal von einem Grenzbeamten heimgesucht, der aber in der falschen Annahme ist, der Nebeneumel wäre passmaessig vergessen worden, wir zeigen ihm den hingekritzelten Eintrag und er ist zufrieden. Jetzt geht es erstmal küstennah nach Lattakia, und dann weiter nach Al-Haffeh, zu unserem ersten Kulturstopp, der Saladinsburg (Burginfo hier).

Lattakia ist eine ganz schön muntere Stadt, verkehrsmässig problemlos, da breit gebaut, und die Beschilderung in Englisch ist auf den Hauptstrecken eigentlich ganz ok. 

Lattakia Traffic

Als wir danach im Dustern über Nebenstrassen eumeln, müssen wir doch ein paar Mal fragen, und dann kommen wir der Burg näher, aber die Strasse wird abenteuerlich. In steilen, engen Kehren geht es nach der letzten Siedlung abwärts, uns gegenüber liegt nur ein dunkles Nichts, wahrscheinlich die Burg. Wir erreichen die Talsohle und vor uns führt ein Brückchen über einen kleinen Canyon. Stopp. Situationscheck.

Ein Auto, ein kleines Taxi, kommt von der anderen Seite hinunter. Der Fahrer hält und spricht auch ein paar Brocken Englisch. Der weitere Weg wäre nichts für uns, und er empfiehlt uns zu drehen, und oben neben dem Hotel zu campieren. Ist uns eigentlich ganz recht, und er hilft uns beim engen Wendemanöver vor der Brücke und geleitet uns dann wieder den Berg hinauf zum Hotel, wahrscheinlich das mit Burgblick, hatte ich in Fergis Syrien/Libanon Reiseführer gelesen. Für uns Ungeübte und des Arabischen unmächtige sind Hotels und Restaurants nicht immer einfach zu identifizieren, da selbst an grösseren Sehenswürdigkeiten keine wirkliche Ausrichtung auf europäische Touristen spürbar ist, das Gros stellen wohl wohlhabende Reisende aus anderen arabischen Ländern, wie uns später der Hotelmanager erklärt.

Wir kommen also am Hotel "Sal Addin" an, und bekommen Stellplatz, Dusche und Frühstück für 15 Euro angeboten. Tamam. Wir sind happy, essen noch was aus den Vorräten, trinken eine halbe Flasche Restrotwein und schlafen lang und gut, weil früh. Am nächsten Morgen stehen wir um sechs Uhr auf, aber nur weil wir dachten es wäre sieben, und wir uns um acht zum Duschen angemeldet hatten. So schaut der Hotelmanager etwas verdutzt, aber die Frühstückstische sind auch schon gedeckt, und da die Tage noch immer nicht lang sind, ist es gut früh anzufangen. Wir lassen uns mit allem Zeit und nach dem ersten syrischen Frühstück (kein Grund für Jubelarien) marschieren wir bei kühlen Temperaturen aber Sonnenschein den Canyon wieder runter, diesmal die imposante Saladinsburg im Blick.

Qal'at Salah ed-Din
Es zeigt sich, dass der Besuch lohnt, denn das Bauwerk ist wirklich sehenswert, ein in knapp hundert Jahren handgeschlagener, rund fünfzig Meter hoher Felsgraben trennt Burg und ehemals byzantinisches Dorf, so war die Burg bei eingefahrener Zugbrücke uneinnehmbar.

Ziemlich hohle Gasse
Auch das Innere der Burg ist toll, und dank der doppelten Ausschilderung lernen wir heute morgen auch gleich die arabischen Ziffern. Wir teilen uns die Burg heute morgen mit drei, vier japanisch-italienischen Touristinnen und es ist ein herrlich sonniger und entspannter Tag.
Arabisch für Anfänger
Beim Verlassen der Burg bekommen wir vom freundlichen Personal noch einen Tee angeboten und aus Faulheit nehmen wir für den Rückweg ein Taxi, wie erwartet werden wir nach kurzem Fussweg aufgesammelt.


Nochmal Burg und eins...



...von der Eintrittspreisverhandlung mit den Burgältesten

Da es erst Mittag ist, beschliessen wir heute noch eins dranzuhängen, was sich später als Fehler erweist, denn zweimal alte Steine an einem Tag ist einmal zu viel. Zum zweitenmal donnern wir durch Lattakia um im nördlichen Strandbereich (hier im Volksmund "Cote d'Azur" genannt) den Weg zur uralten Stätte von Ugarit (hier werden Sie auf Wunsch weitergebildet) zu finden, wo unter anderem bereits die Hetither hausten.
Grosse Worte werden hier...

...gelassen ausgesprochen
Dem Alter von über 3000 Jahren entsprechend ist der Zustand der Bauwerke. Wir sehen Fundamente von Königspalast und Baal-Tempel, Wohnhäuser mit persönlichen Gruften und ein Abwassersystem. Auch hier spazieren wir fast allein durch die Stätte.

Staunenswertes in Ugarit
Und wie gesagt, bei Übertreibung bekommt man leicht eine Überdosis "Staahuufe", wie der Südschwarzwälder sagt. Diese Überdosis kuriert man am Besten mit urbanem Puls, also geben wir uns nun Lattakia die Dritte, nochmal Nord-Süd, zur Rush-Hour, und das am Tag vor dem Freitag, dem muslimischen Wochenende...

Da es schon dämmert wollen wir nicht mehr weit fahren, und finden mit Jableh ein Küstenstädtchen mit annehmbarer Promenade und einem römischen Theater, umgarnt von einem kleinen Suq (Basar), Fischmarkt und authentischen Backstuben. Wir suchen uns ein paar leckere Teilchen aus, und staunen ganz schön als man kein Geld will, aber die vielköpfige Belegschaft gerne aufzählt welche Bundesliga-Vereine sie kennt, z.B. Borussia Dortmund, akzentfrei ausgesprochen.

Am südlichen Ende der Promenade ist ein grosser Parkplatz, es ist ruhig, und wir vertilgen die ebenfalls erworbenen syrischen Pide-Pizzen mit Lammhack und Petersilie, die mussten wir bezahlen, vier Stück für gut einen Euro, bevor Gudrun ziemlich früh die Äuglein schliesst, und ich wegen anschwellendem Aussenlärm inklusive einem Hochzeitskonvoi doch länger als gedacht den Herrn Grass beim Zwiebelhäuten begleite, dachte das macht mich schneller müde.

Dann ist es kurz vor vier und es hämmert an unsere Tür. Wir sind ziemlich schläfrig und vermuten erstmal, dass jemand ein Problem mit unserem Standplatz hat, oder die Polizei sich mal die lustigen Vögel aus Deutschland ansehen will. Aber es ist etwas ernster, drei Syrer stehen vor dem Mobil und gestikulieren und reden auf Arabisch auf uns ein. Ich soll raus kommen, und das Wort "Moto" verstehe ich im Redeschwall, irgendwas mit dem Nebeneumel. Ich springe barfuss raus und laufe nach hinten, dann wird langsam klar, dass die Jungs vier andere Typen beobachtet haben, die tatsächlich während wir schlafen das Motorrad klauen wollten. Zum Glück sind sie nicht weit gekommen, und ich muss nur die Gurte neu befestigen. Schwein gehabt! Wir laden unsere Helden zum Gutenacht-Tee mit Keksen ein, sie wollen dann noch mit uns zu Hause Alkohol trinken gehen, wie bitte?, aber das lehnen wir dann doch lieber ab.

In Jableh hält uns jetzt nichts mehr und wir machen uns im Dustern auf die Socken, Richtung Süden, den Krak des Chevaliers, eine der Hauptsehenswürdigkeiten Syriens. Auf der gut befahrbaren Autobahn zwischen Lattakia und Damaskus zockeln wir ganz langsam und gemütlich dem Sonnenaufgang entgegen, bauen unseren Schreck ab und erreichen den Krak bei Kälte und Regen morgens um halb acht.

Dorf am Krak
Hier ist es wirklich ruhig und wir holen auf einem Riesenparkplatz oberhalb der Burg erstmal drei Stunden Schlaf nach, machen uns 'nen leckeren VIP löslich, und dann sieht die Welt schon wieder ganz anders aus.

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